Die Story von Holiday Heimtex ist beileibe keine badisch-beschauliche Kurzgeschichte – es ist vielmehr eine interessante Weltreise in Sachen Heimtextilien. Die Firmengründer berichten im Interview von einer abenteuerlichen Tour durch die Zeit von der Unternehmens- gründung bis zur Übergabe an Heiko Wagner im Jahre 2008.
Redaktion: Herr und Frau Wagner, nach einer 25-jährigen und sehr erfolgreichen Firmengeschichte haben Sie das Unternehmen Holiday Heimtex im Jahre 2008 an Ihren Sohn Heiko Wagner übergeben. Wie kommt man im Jahre 1983, dem Jahr als Udo Lindenberg im Ostberliner Palast der Republik seinen „Sonderzug nach Pankow“ präsentierte, im beschaulichen badischen Seelbach darauf, den Handel mit Freizeitartikeln und Heimtextilien zu beginnen?
Johannes Wagner: Ausschlaggebend war vor allem wohl meine persönliche Neigung in Richtung einer vertrieblichen Tätigkeit. Deshalb folgten nach einer Handwerkerausbildung einige Beschäftigungen im Vertrieb und als freier Handelsvertreter für verschiedene Produkte und Unternehmen. Den ersten Bezugspunkt zu Heimtextilien stellte dabei der Verkauf von Steppdecken und Schlafsäcken dar. In dieser Zeit konnte ich ein wertvolles bundesweites Netzwerk an Branchenkontakten knüpfen. Und der Erfolg war ebenfalls da. Vielfach konnten in kurzer Zeit signifikante Umsatzsteigerungen von mehreren 100% erzielt werden. Dadurch hat man sich schon einen Namen gemacht.
Durch diese Erfahrungen gestärkt, war die Zeit einfach reif für die Selbständigkeit, als Anfang 1983 eine direkte Anfrage eines Bettwarenproduzenten aus Frankreich kam, der den deutschen Markt erschließen wollte. Begleitet von der Anmietung eines eigenen Lagers in einer ehemaligen Zigarrenfabrik war somit die Firma Holiday Heimtex aus der Taufe gehoben.
Redaktion: Auffällig ist, dass Sie, was die Partnerschaften mit den Herstellern Ihrer Produkte betrifft, stets offen für Neues waren, und zwar in jeder Hinsicht. Mittlerweile können Sie auf Lieferantenbeziehungen unter anderem in Frankreich, der Türkei, Pakistan, Indien und seit einigen Jahren auch China zurück blicken. Da gab es doch immer wieder sprachlich und kulturell neue Züge zu besteigen. Warum haben Sie sich nicht auf eine Region, eine Sprache und einen Kulturkreis konzentriert?
Johannes Wagner: Als Importeuer in der Heimtextilien-Branche langfristig erfolgreich zu sein bedeutet auch, dass man sich auf Erfolgen nicht zu lange ausruhen darf. Und das haben wir stets beherzigt.
Dabei waren es immer vor allem die Gegebenheiten des Marktes, die zu neuen Verbindungen geführt haben. Das rechtzeitige Erkennen sowohl der Wünsche der deutschen Kunden als auch das Wissen um die Leistungsfähigkeit der Produzenten weltweit waren die wichtigsten Voraussetzungen um Veränderungen anzustoßen. Und nicht selten haben dabei auch gute Kontakte sehr geholfen, diese neuen Wege zu eröffnen und zu festigen.Ein Beispiel: Eine persönliche Empfehlung, erhaltene Produktmuster in Top-Qualität und überraschend marktfähige Preise kennzeichneten die Anbahnung von geschäftlichen Beziehungen zu Handtuch-Produzenten in der Türkei. Zu einer Zeit übrigens, als die meisten Heimtextilien-Importeure in Deutschland noch auf das damals gängige Portugal als Produktionsstandort setzten. Nicht nur in diesem Fall waren wir Trendsetter, was uns rückblickend durchaus ein wenig Stolz macht.
Redaktion: In der Firmenhistorie werden besonders die Jahre ab 1993, als der Beginn der Zusammenarbeit mit Herstellern aus Pakistan begann, als „herrlich-verwegene Zeiten“ bezeichnet. Das klingt spannend und abenteuerlich zugleich.
Margareta Wagner: Die ersten Reisen nach Pakistan schrieben tatsächlich unglaubliche Geschichten. Landungen auf Flugplätzen, die man eher als Wiesen bezeichnen konnte, Leibesvisitationen, an die ich mich als Frau nur mit besonderem Grausen zurück erinnere und viele kulturelle und sprachliche Barrieren, die es zu bewältigen galt.
Dass uns der erste Geschäftspartner in Pakistan zu unserer eigenen Sicherheit von einem bis an die Zähne bewaffneten Chauffeur abholen ließ ist nur eine von vielen Situationen in denen man sein Tun durchaus in Frage stellen konnte. Grundsätzlich kann man sagen, dass in Pakistan damals vieles möglich, aber nichts geregelt und schon gar nichts sicher war. Die Preisfindungen zum Beispiel waren stets konditionelle Herausforderungen und verhandlungstaktische Meisterleistungen gleichermaßen. Und Überraschungen waren immer an der Tagesordnung – so oder so.
Ein von einem Geschäftspartner vorgeschlagener Warenweg über den von Peschawar aus sichtbaren Khyberpass nach Afghanistan, von dort weiter nach Russland und schlussendlich nach Deutschland war eines der verworrensten Ansinnen.
In anderer Hinsicht war man uns jedoch seinerzeit durchaus voraus. Nach einer direkten Anfrage an einen Produzenten erhielten wir innerhalb weniger Tage unzählige weitere Kooperationsangebote aus allen Landesteilen. Von derart gut funktionierender Branchen-Kommunikation sind wir hier selbst in Zeiten von E-Mail, Facebook & Co. noch weit entfernt.
Redaktion: Holiday Heimtex hat sich, was das Produktsortiment, aber auch den Kundenservice und die Logistik betrifft, im Laufe der Jahre immer wieder neu erfunden. Liegt in dieser Bereitschaft sich ständig zu verändern das Erfolgsgeheimnis des Unternehmens?
Margareta Wagner: Ja natürlich. Es war aber auch immer eine gehörige Portion Risikobereitschaft nötig, ohne die eine weitere Entwicklung nicht möglich gewesen wäre.
Gerade in den frühen Jahren des Unternehmens, in denen wir Waren für aktionsbezogene Verkäufe importierten, gelang es zum Beispiel nur durch immens große Stückzahlen marktfähige Einkaufspreise zu generieren. Und dann waren plötzlich diese riesigen 40-Fuß-Container da. Prallvoll mit Heimtextilien, von denen bis zu diesem Zeitpunkt eben nur wenige Prozent tatsächlich geordert waren. Ich kann Ihnen sagen: Da waren schlaflose Nächte an der Tagesordnung.
Bedingt durch die großen NOS-Sortimente liegt heute natürlich der Fokus eher darauf, Produktqualität und Lieferfähigkeit über einen sehr langen Zeitraum sicherstellen zu können. Bei den vielfältigen wirtschaftlichen und politischen Ups und Downs weltweit ist das aber auch kein leichteres Unterfangen.
Redaktion: 2003 hat die Mikrofaser den Frottiertücher- und Bettwäsche-Markt erobert. Dieser und viele sonstige Branchen-Trends haben sie nicht überrascht, im Gegenteil. Haben Sie aktuell auch schon einen Geheimtipp für das nächste Top-Thema der Branche, oder, um bei Lindenberg zu bleiben, in welche Richtung der nächste Heimtextilien-Sonderzug fährt?
Johannes Wagner: Es gibt momentan meines Erachtens nicht das eine Top-Thema sondern einen stetigen Trend in Richtung zu natürlicheren Materialien wie etwa Baumwolle. Insgesamt werden auch qualitativ hochwertigere und nachhaltigere Heimtextil-Produkte größere Bedeutung erlangen.
Auch die Situation bei den Produzenten wird für alle Marktbeteiligten immer wichtiger. Die dortigen Sozialstandards etwa, umweltschonende Produktionsverfahren und viele weitere Details, die für faire und nachhaltigere Produkte stehen, werden auch für Heimtextil-Waren des unteren und mittleren Preissegmentes von wachsender Bedeutung sein.
Und das ist auch gut und richtig so. Deshalb sind wir froh darüber, dass sich unsere Nachfolger bei Holiday Heimtex diesen Themen ganz besonders angenommen haben.